ANDREAS DUSCHA | Mamihlapinatapai

Galerie Jochen Hempel, Leipzig | February 23 – March 29, 2019

Wer sich den Arbeiten von Andreas Duscha (*1976 in Heidenheim a. d. Brenz, Deutschland) nähert, fühlt sich wie eine Archäologin, eine Wissenschaftlerin, gar eine Reporterin. Es sind Geschichten, Gerüchte, Rätsel und Mythen, die uns der in Wien lebende Künstler präsentiert, visuell attraktiv und doch in ihrer Essenz manipuliert. Seine eigene Stimme bürgt dabei für die künstlerische Authentizität, das ernste Versprechen einer Investigation von alternativen Wahrheiten ablegend, deren Kontext sich in der Ausstellung durch einen QR-Code direkt aufs Smartphone holen lässt. Einen Einblick in seine Strategien und Werkprozesse gewährt Andreas Duscha nun zum ersten Mal dem Leipziger Publikum, mit einer Ausstellung, die ausgewählte, zum Großteil noch nie gezeigte Arbeiten umfasst.

Die Themen mit denen sich Duscha beschäftigt, sind so vielfältig wie seine eigene Biografie: Die Bandbreite reicht vom Weltall über Kulturgeschichte, zu Mysterien des Alltags, Politik und urbanen Landschaften. Als Student widmete er sich den Fächern Psychologie, Geschichte, Soziologie, Politik und bildenden Kunst, zwischen 2002 und 2010 war er Teil des Künstlerkollektivs Mahony. Seit 2011 bestreitet er seinen eigenen Weg – jedoch nicht ohne den Wunsch, seinen konzeptuellen und recherchebasierten Kunstbegriff den Rezipienten assoziativ zu vermitteln. So beschreibt die Arbeit Mars (2019) Abbilder der Planetenoberfläche in der Realität und in der medialen Verfälschung – einen Mythos des roten Planeten und einen nordamerikanischen Raumfahrterfolg suggerierend, an den wir gerne glauben wollen. Ähnlich aufklärerisch, aber deutlich schärfer, verhält es sich mit Area 51 (2019), einem Verweis auf das Sperrgebiet der US-Regierung in der Wüste Nevadas. Einzig von einem legal zugänglichen Punkt durch Zivilisten einsehbar, ist es dieser ikonische Ausblick den Andreas Duscha mithilfe einer Uranotypie erfasst. Das fotografische Verfahren aus dem 19. Jahrhundert basiert auf der Lichtempfindlichkeit von Uranylnitrat, einem Uransalz, das eine leichte radioaktive Strahlung verbreitet.

Das Medium Fotografie begreift Duscha konzeptuell, was einen beinahe spielerischen Umgang damit erlaubt. Bestes Beispiel für diese strategische Umsetzung sind Lochkamerabilder, Cyanotypien und Barytabzüge, die von langzeitbelichteten Fensterausblicken (New York, New York, 2018), welche im Rahmen einer Residency am renommierten ISCP in New York entstanden, bis zu abstrakten, scheinbaren Entwicklungsfehlern im Labor (Abstrakt I, 2019) reichen. Reisen, physisch wie gedanklich, spielt hierfür eine große Rolle; tatsächliche Fortbewegung erfährt man u.a. in Cry me a river (2015), einer Kanufahrt von Wien nach Bratislava auf der Donau, stark abstrahiert, aber im Grundzug noch als Horizontlinie zwischen Wasser, Erde und Himmel erahnbar. Eine historische Reise in die nahe Vergangenheit unternimmt die willige Betrachterin hingegen mit Mao (2016), einer 39-teilige Portraitserie des chinesischen Staatspräsidenten Mao Zedong. Vor dem farbigen Hintergrund der aufgehenden Sonne sind die schwarz-weißen, analogen Reproduktionen ein Versuch der Sichtbarmachung eines Prozesses, der ansonsten im Verborgenen bleibt: Jedes Jahr vor der Staatsfeier der Volksrepublik China am 1. Oktober wird das seit 1966 dauerhaft am Tian’anmen-Platz präsentierte Abbild Maos heimlich erneuert und durch ein vermeintlich identes Gemälde ersetzt.

Im Sinne von Täuschungen und unhaltbaren Behauptungen verhandeln die Cyanotypien des Künstlers mit Vorliebe unbelegbare Geschichten: Die Yves Klein gewidmeten Leinwände (2018) sind Übersetzungen seiner Arbeiten: International Klein Blue auf Preußischblau. Dabei verschwimmen die Blautöne so sehr vor dem Auge des Betrachters, dass eine Überprüfung des Prozesses unmöglich wird. Das unbeugbare Licht selbst versucht Andreas Duscha in Lumen (2019) auf Leinwand zu bannen – ein Experiment das an rituelle Beschwörung grenzt. In der Fortführung bleibt es ein stiller Verweis zu der Arbeit Queen of the mist (2011), seiner ersten seriellen Cyanotypie. Sie trägt den Namen des Holzfasses der Amerikanerin Annie Taylor, der Frau, die sich 1901 als erste Überlebende in einem Fass die Niagara Fälle runterstürzte. Im Vorfeld ihres Versuchs wurde eine Katze in einem Fass in die tosenden Fälle gestürzt – und nie wieder gefunden. Ein Paradoxon nach Schrödinger mit einer Verewigung der Katzen, mit denen Taylor über Jahrmärkte zog, bleiben für die Betrachterin zurück.

Und als ob die bereits genannten unglaublichen wie atemberaubenden, unserer realen Welt entsprungenen Geschichten nicht genug wären, so setzt Andreas Duscha seinen Bewunderern auch noch Spiegel vor: Handgefertigte Unikate in altmeisterlicher Manier erzeugt, die abstrakte Formen, die generische Skyline einer beliebigen Großstadt oder potentiell gefährliche Fassaden von Hochhäusern nach Außen tragen. Das süße Säuseln eines begnadeten Geschichtenerzählers im Ohr fühlen wir uns nach Ende des Rundgangs im besten Fall inspiriert von den Entdeckungen und neugierig gemacht auf weitere Mysterien.