Galerie 5020, Salzburg | July 29 – September 30, 2022
Die Welt ist ein Füllhorn – an Informationen, Symbolen, Codes, Phänomenen, Konstruktionen, Affekten. Um das, was uns umgibt, greifbar zu machen, wird einem binär-dialektischen Verständnis folgend zumeist zwischen Natur und Kultur unterschieden. In der Ausstellung TECHNOGARDEN von Gunda Gruber wird jedoch die Frage nach einer Weltordnung neu gestellt, indem die Verbindung zwischen beiden Teilen hervorgehoben wird. Der Garten als geschützter, artifizieller Ort der Kultivierung verschmilzt in dieser Ausstellung sinnbildlich mit natürlichem techne, mit dem künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Tätigsein.
Gunda Gruber arbeitet medienübergreifend. Zur Formulierung ihrer Anliegen schafft sie Fotografien, Videos, Objekte und räumliche Installationen und kultiviert ihre performative Praxis. Ihre unterschiedlichen Zugänge verbindet ein klarer Abstraktionsgehalt auf reduzierte Elemente, die durch Tänze zwischen den Dichotomien aktiviert werden. Scheinbar feste äußerliche Strukturen wirken federleicht und durchlässig, dreidimensionale Oberflächen werden zu
Projektionsräumen fluid-immaterieller Spektren, Bild und Abbild verschwimmen ineinander, und ihnen wird durch die Fusion neues Leben eingehaucht. Den Betrachter:innen eröffnet sich ein Ort der Begegnung, der sich durch eine fruchtbare Unschärfe auszeichnet, die es ermöglicht, über Funktionalismen und Normierungsstrategien sowie Lebensformen und -weisen zu sinnieren.
Der grundlegende Parameter in Gunda Grubers Arbeiten ist ihr eigener Körper. Ein weiblicher Modulor, die vitruvianische Figur als Frau, dient in ihren Fotografien (Konnex) der Visualisierung der Größenverhältnisse in Bezug auf die projizierten Bilder und bietet so eine gewisse Stabilität angesichts der Flüchtigkeit der geometrischen wie organischen Schattenrisse. In ihren Videoarbeiten (in the garden) vollzieht ihr Körper hingegen repetitive, beinahe ritualistisch anmutende Handlungen. Das Erblicken, Erfassen und Platzieren der einzelnen Teile eines skulpturalen Objekts, dessen vorläufiges Aussehen sich erst am Ende der Performance offenbart, geschieht kontrolliert und zugleich intuitiv. Die in den Videos erschaffenen Objekte werden weiter in den realen Ausstellungsraum überführt (Extensions): Aus Kapa-Platten gefertigt, bieten sie unzählige Möglichkeiten der Erweiterung, ihre materielle Leichtigkeit steht in Opposition zu ihrer Größe und ihrem Volumen. Ein düsteres Gefühl von Macht und Dominanz begleitet manche spielerische Einschreibung auf subtile Weise. Etwa in den Videos (z. B. Bodyscan), in denen nur Ausschnitte des weiblichen Selbst zu sehen sind: Überschrieben von strukturreichen Schattenelementen, wird Gunda Grubers fleischliche Hülle den rhythmisch erscheinenden Symmetrien und Spiegelungen systematisch untergeordnet. So wird die klare Überlegenheit der Ordnung gegenüber dem pulsierenden Körper demonstriert.
Der gesamte Prozess der Konstruktion von Zeitlichkeit durch das Loopen der Videos und das Auftauchen immer neuer Objekte im Raum verändert bei sensiblen Betrachter:innen mitunter das Körperbewusstsein. Es eröffnet sich ein unerwarteter Bezug zu Aspekten von Dimension und Proportionalität, was durch die
musikalische Begleitung von ROT. (Franz Bergmüller und Markus Kircher) noch unterstrichen wird. Die Gestalt der Künstlerin steht dabei stellvertretend für einen feministischen Maßstab, der auf sämtliche Artikulationen angewandt wird, die in dieser Schau nie in ihrer Gesamtheit erfasst werden können. Ihre Figur ist Subjekt wie Objekt eines konstruktiven und zugleich dekonstruktivistischen Schauspiels, in dessen Rahmen Transformationsprozesse von Architektur, Botanik, Kunst, Raum, Technologie, Wahrnehmung und Zeit verhandelt werden.
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