Bildraum Studio, Brotfabrik Vienna (in cooperation with Galerie Sophia Vonier) | February 11 – April 7, 2022
Wie weiß eine Künstlerin, wann eine Phase ihres Schaffens abgeschlossen ist und eine neue beginnt? Für Kunsthistorikerinnen ist es mitunter einfacher mit zeitlicher und emotionaler Distanz eine rückblickende Entscheidung darüber zu treffen. Im lebendigen Prozess der Gegenwart bleiben die Grenzen hingegen opak, die Definition einer Phase uneindeutig. Für Marianne Vlaschits Arbeiten der vergangenen drei Jahre, von 2018 bis 2021, stellt sich die Frage nach systematischer Zuordnung kaum. Denn ihre Malerei fordert eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber den gewichtigeren Übergängen. Diese manifestieren sich an zwei Koordinaten, von denen eine das Zeitliche abbildet. Formen, Gestalten, Interessensfelder und Farbkompositionen, jede für sich einzigartig aber mit hohem Wiedererkennungswert, sind dieser Koordinate eingeschrieben. Sie überlagern sich, stechen einander aus, verschwinden um wieder aufzutauchen, in immerwährender temporaler Zirkularität.
Die zweite Richtung gibt das Räumliche vor. Sie ist eng verknüpft mit materiellen Symmetrien und ihren Brüchen und lässt uns einen Zugang in den Naturwissenschaften suchen. Denn in der Thermodynamik bezeichnet der gewählte Ausstellungstitel Phasenübergang (engl., phase transition) die Umwandlung der Materialeigenschaften eines Stoffes. Häufig und vereinfacht werden damit Änderungen der Aggregatzustände bezeichnet, vielfältig geprägt von Erstarrung, Kondensation, Schmelzung, Sublimierung oder Verdampfung. Oder anders: Auf die Frage was Malerei sei, antwortet James Elkins in seinem gleichnamigen Buch (What Painting Is, 2000) es sei Alchemie. In ihrer Malerei macht Marianne Vlaschits ähnliches erfahrbar. Ihre Experimentierfreude mit Affekten, äußeren Einflüssen, Lichtstimmungen, Techniken und akkumuliertem Wissen grenzt an Magie. Obwohl die Konstanten ihres Schaffens stets Öl, vormals Acryl und Leinwand bilden, tanzen ihre Arbeiten in einem faszinierenden Variationsspektrum an Artikulationen zwischen den Phasen.
Entsprechend wirken manche Bildtemperamente zart und leicht, andere fleischlich und erhitzt, während die nächsten geerdete Festigkeit ausstrahlen. Und selbst die Rahmenformate sind verschieden und reichen von klassisch rechteckig bis amorph. Gegensatz- und Gemeinsamkeitspaare werden in der Ausstellung bewusst sichtbar gemacht. Im Vordergrund steht das Nachspüren und Erblicken der Divergenzen und Brücken – malerisch, thematisch, formal, diskursiv – ohne ontologisch, chronologistisch oder imperativ in diese Beziehungen eingreifen zu wollen. Ein unbändiges, interplanetar-kosmisches Füllhorn reichert die Bildträger an, die uns mit starken Figuren an Innen- und Außenwelten heranführen. Marianne Vlaschits gelingt es auch ohne große Inszenierung in einem ungewohnt minimalen, eleganten Setting, Kunstgeschichte und Science-Fiction, Astrophysik und Biologie, Spekulation und Wirklichkeit gleichberechtigt miteinander zu verweben. Ihre unbegrenzbaren Raumwelten zeugen in allen Phasen von gestern, heute und morgen von einer substanziellen Zeitlosigkeit.