opening speech on Aug 10, 2022 on the occassion of Monika Pichler’s exhibition Taubenträume at Stadtgalerie Museumspavillon, Salzburg
Sehr geehrte Besucher:innen, liebe Freund:innen und Kunstliebhabende,
ich darf Sie und euch zur Ausstellung „Taubenträume“ hier in der Stadtgalerie Museumspavillon willkommen heißen. Ich werde in die Ausstellung einführen, aber auch in die Praxis von Monika Pichler, der Symbolgeschichte der Tauben nachspüren sowie die grundlegenden Aspekte barocker Gartengestaltung hervorheben. Wir werden uns der Erde und dem Himmel nähern, Flora und Fauna bestimmen und Gedanken zu Träumen und Realismen gleichermaßen teilen.
Beginnen wir am Anfang, bei dem, was sie als Betrachtende beim Durchschreiten der Ausstellungsräume sehen werden. Die Ausstellung mit dem assoziationsvollen Titel „Taubenträume“ ist in drei Teile geteilt, die den Titel multiplizieren und im Räumlichen verorten:
Im ersten Raum, gleich am Eingang, begegnen uns zunächst Vögel. In einer enormen Artenvielfalt dargestellt, sitzen sie auf kleinen Ästchen, Baumrinden und verweilen schwerelos vor wolkigem Himmel. Als Schwarzweißfotografien ungefähr lebensgroß entwickelt und aufkaschiert, werden sie im zweiten Schritt farbig bemalt – daher rührt ihre gedämpfte Farbigkeit, die wie ein Nostalgiefilter über ihnen liegt.
Tauben dominieren den stilisierten Himmelraum. Ihre Artenvielfalt ist uns heute nur mehr selten im Bewusstsein, scheren wir sie zumeist über denselben Kamm. Obwohl Tauben in unserer Gegenwart häufig mit Unreinheit und Krankheit assoziiert und daher häufig gering geschätzt werden, darf man ihre symbolische Rolle als Friedens- und Liebesbringer (z.B. als Friedens- und Turteltaube) nicht außer Acht lassen. Auch als Beisitzende Sterbender, deren Seele aus den Fesseln des irdischen Körpers befreit wird, sind sie sakral wie profan wesentliche Symbole von Freiheit.
Die Tauben verbinden den ersten und letzten Raum der Ausstellung und bilden, sichtbar und unsichtbar, ihren roten Faden. Hier, im ehemaligen Vogelhaus, errichtet von Johann Bernhard Fischer von Erlach nach 1700, dessen Balustraden von Adlerfiguren bekrönt sind, wirken die Tauben wie die idealen Nachmieter:innen der vormals hier gehaltenen Vögel.
Wo wir bereits von barocken Zeiten sprechen: Den zweiten, größten Raum des Museumspavillons dominiert ein großes vielteiliges Fenster. Es bietet Ausblick in den prächtigen barocken Garten des Mirabell-Schlosses und durchflutet den Raum mit breiten Lichtstrahlen. Seiner strengen Form und der geometrischen Parzellierung stellt Monika Pichler verwandte Pendants gegenüber: es sind Teppiche, die so tun als wären sie Tapisserien. Sie bestehen aus bedrucktem Textil, deren Einteilung die Form eines barocken Gartens aufgreift. Ihr Design ist somit ortsspezifisch. Die langen Rechtecke des Fensterornaments werden im Sinne einer site-specificity kritisch reflektiert – zudem verweist das barocke Thema auf Salzburg und Mirabell im Speziellen. Sie haben eine Verbindung zur kulturellen und politischen Geschichte der Tapisserien (man denke an Darstellungen von Schlachten und historischen Ereignissen, die die Macht der Herrschenden legitimieren), jedoch – und anders als bei ihrer Auftragsarbeit für den Salzburger Landtag – mit einem Twist.
Denn das Design der Teppiche ist auch botanisch. Monika Pichler ersetzt die Idee des Historienbildes durch Naturdarstellungen von heimischen Beeren, Sträuchern und Gewächsen. Ihre Unterteilung ist eine, die erneut aus dem aktiven Beobachten heraus entsteht. Hier werden also Staat und Natur miteinander verknüpft, die Natürlichkeit der wild wachsenden Flora mit der artifiziellen und streng konzeptuellen Gartenform vereint. Selbstverständlich fehlen auch hier die Tauben nicht.
Von unserer bisherigen Entdeckungsreise durch Fauna und Flora kommen wir im dritten und letzten Raum zur Ruhe. Gedämpftes Licht umfängt uns. Wir werden gebeten, unsere Schuhe auszuziehen. Wir werden gebeten, uns hinzulegen. Auf einen weiteren Teppich, der als radikale Fortführung der quasi-Tapisserien im Vorraum nun als betretbares und beliegbares Bodentextil erscheint. Wir blicken also liegend zur Decke und werden einer Projektion gewahr. Ein Film, der vieles suggeriert: Reise, Fernweh, Sehnsucht, Weiblichkeit, Mutterschaft, Liebe und schmerzvolle Abwesenheit. Jedoch mit dem steten Unterton poetischer Leichtigkeit. Katharina Hofmanns Stimme trägt uns durch die Lüfte. (Sie kennen sie vielleicht als Schauspielerin vom Landestheater Linz.) An den Wänden umringt uns ein scheinbar endlos fortführbares Wolkenband. Jeder Teil eine eigene Reise. Jeder Teil von Kontinuität berichtend und Erinnerung wahrend.
Wovon bisher noch nicht die Rede war, sind die kleineren Arbeiten, die die Ausstellung bevölkern. Manche sind einige Jahre älter (die ältesten entstanden ab 2010), viele jedoch aus dem Vorjahr. Alle haben ihre Unterschiede in der Ausführung, gemein ist ihnen jedoch einiges: ihre haptischen Qualitäten, bestehen ihre Untergründe doch sinnlichen Materialien aus Baumwolle, Samt, Holz oder Leinen. Ihre technischen Schichtungen und Überlagerungen, ausgeführt mithilfe der Medien Fotografie, Collage und Siebdruck. Und vor allem ihre Bildwelten, die überreal erscheinen.
Monika Pichler beschwört in ihnen reale Träume. Ihr Repertoire ist weit und nährt sich von Fabeln, Märchen, ihren Spaziergängen in der Natur (die Arbeiten aus der sogenannte „Alien“-Serie zum Beispiel zeigen unheimliche, geisterhafte Körper, die sich als drüsiges Springkraut entpuppen), ihrer druckgrafischen Praxis (u.a. erscheinen Siebdrucke auf zusammengefügten Rührstöckchen, welche beim Prozess des Druckens gebraucht werden; Monika Pichler bedruckt sie bis zu zehnmal), dem Alltag und dem Ausnahmezustand. Surrealistinnen wie Dorothea Tanning und Leonora Carrington beeinflussen ihr tun, wie auch ihre Tochter, deren Portrait manches Mal, wie der im ersten Raum, auftaucht. Dort wacht Monika selbst hoch in den Wolken über ihre Tochter, während jene als halb Mensch halb Taube erscheint.
Monika Pichler ist eine Künstlerin, deren Arbeiten dem Realismus wie dem Surrealismus nahestehen. Fantastisches wird mit Nüchternem vermählt, Beobachtungen traumhaft aktiviert, Feststellungen um das Unbewusste erweitert. Ihre Arbeiten wecken Sensibilisierungen für Orte und Dinge, die anderen vielleicht nicht im ersten Moment auffallen, ihr jedoch wie zufällig begegnen und sie attrahieren. Ihre Suche ist eine nach Schönheit, angereichert mit der Vielfalt der physischen und psychischen Welten. Monika Pichler ist Dokumentaristin ihrer Umgebung und Aktivistin zugleich: Irdisches und Himmlisches, Atmosphärisches und Botanisches, Luft und Erde vereinen sich in ihren Arbeiten mit der Transzendenz von Traumwelten, ohne die unsere Realität nicht bunt wäre.
Zuletzt möchte ich Sie und euch einladen, auch das wundervolle Gedicht wahrzunehmen, dass Monika Pichler in Vorbereitung auf die Ausstellung verfasste und ins Englische wie ins Französische übersetzen ließ. Es befindet sich an der rechten Wand, gleich neben dem Eingang.
Vielen Dank.